Kollektion

Die Sammlung wurde seit 1990 kontinuierlich aufgebaut und enthält neben einer Vielzahl verschiedener Möbeltypen auch originale Dokumente wie Kataloge, Plakate, Anzeigen und ein umfangreiches Archiv zu allen Aspekten der Bugholzgeschichte. Der Zeitraum, den die Sammlung repräsentiert, reicht mittlerweile bis in die 1950er Jahre.

Als Höhepunkte der Sammlung dürfen zwei Parkettmustertafeln der "Gebrüder Thonet" und ein kleines Tischchen mit schichtverleimter, spiralartig gewundener Säule, auf dessen Platte sich ein Parkettmuster "en miniature" befindet, bezeichnet werden.

Die frühen Möbel der Firma Gebrüder Thonet und der Konkurrenten bilden einen weiteren Hauptteil der Sammlung. Neben schichtverleimten Exemplaren sind auch die frühesten, massiv gebogenen Modelle zu finden, die vor allem durch ihre unvergleichliche Eleganz und Grazilität beeindrucken. Gerade der Übergang der Produktion von den noch vollständig in Schichtholztechnik hergestellten Stühlen zu den ersten massiv und schließlich vollständig massiv gebogenen Modellen lassen die Leistung Michael Thonets deutlich werden. Bugholzgeschichte wird so lebendig.


Frühe Möbel

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Die Wiener Konkurrenten

Neben den frühen Möbeln aus der Werkstatt Michael Thonets finden sich in der Sammlung auch eine ganze Reihe von Konkurrenzprodukten Wiener Tischler. Interessant sind die Möbel dieser Firmen, da sie sowohl aus massiven, aus dem Holz geschnittenen, als auch aus schichtverleimten Teilen bestehen. Das Biegen massiven Holzes war durch ein Patent der Firma "Gebrüder Thonet" von 1856 bis 1869 geschützt, so dass die Konkurrenzfirmen bis 1869 gezwungen waren, entweder in den bekannten und traditionellen Herstellungsverfahren oder in der Technik der Schichtverleimung zu produzieren. Die meisten der frühen Konkurrenten mussten in den 1870 -80er Jahren wegen des mittlerweile "veralteten", nicht mehr wirtschaftlichen Herstellungsverfahrens die Produktion einstellen.


Das Plakat von 1867

Zu der Sammlung gehören auch zwei Tischuntergestelle der späteren Modellnummer 5, deren Füße aus fünf massiv gebogenen und anschließend verleimten Teilen bestehen. Sie zeigen, dass sich die Bemühungen Michael Thonets auch nach 1855 nicht allein auf die Schaffung von Sitzmöbeln konzentrierten, sondern auch schon früh andere Möbeltypen betrafen.

Dieses Sortiment verschiedener Möbeltypen wurde, nachdem man Anfang der 1860 Jahre in der Lage war, alle möglichen Biegungen vollständig massiv auszuführen, kontinuierlich erweitert. In der Kollektion befindet sich auch ein Originalplakat aus dem Jahr 1867, welches die zu dieser Zeit produzierten Modelle zeigt.

Neben den "klassischen" Sitzmöbeln - Sessel, Fauteuil und Canapé - sind auf diesem Plakat auch Schaukel- und Kaminmöbel, "Damenfauteuil" und "Drehstockerl" abgebildet. Alle Stücke sind eindeutig gekennzeichnet, so dass es bei den Bestellungen keine Missverständnisse geben konnte.

Die Verkaufsplakate erscheinen in den folgenden Jahren mit einer immer größer werdenden Anzahl von Modellen. Sie dienen nicht einer kompletten Modellübersicht, sondern präsentieren in einer graphisch ansprechenden und ausgewogenen Form einen Teil des Modellprogramms der Firma "Gebrüder Thonet". 1879 erscheint dann - soweit bis heute bekannt - das erste "Musteralbum".

Thonet im Historismus

Kanapee Nr. 16
Kanapee Nr. 16

In der Ausstellung "Möbeldesign- Roentgen Thonet und die Moderne" wurden einige der in der „Historismus-Galerie“ gezeigten Möbel als Installation präsentiert. Sie stellen eine Werbeanzeige aus dem Jahr 1865 nach, die einen Querschnitt der Thonetschen Produktion aus dieser Zeit zeigt. Das Massengeschäft mit Möbeln für den öffentlichen Bereich stellte unzweifelhaft die Haupteinnahmequelle der Firma dar, doch wollte man auch den häuslichen Bereich der bürgerlichen Mittelklasse mit Bugholzerzeugnissen ausstatten. Bereits 1860 baute man den ersten Schaukelstuhl aus Bugholz. Die Vorbilder dafür kommen aus England und konnten aus statischen Gründen bis dahin nur ausschließlich in Metall gefertigt werden. Bei den Sitzmöbeln wurden neben sehr leichten und eleganten Entwürfen wie einem Damenfauteuil oder einem Klappfauteuil auch schwere und repräsentative Sitzmöbel gefertigt: Fauteuil Nr. 16 und das dazu passende Kanapee mit gleicher Modellnummer. Beider Rückenform erinnert an gotische Kirchenfenster, weshalb sie in der internen Kommunikation der Firma auch die Bezeichnung "gothische“ Sessel oder Fauteuils erhielten.

Das „Stockerl“ ist ein praktisches Möbel; die ersten dieser Art entstanden schon Anfang der 1860er Jahre ebenso wie der unter dem Kanapee stehende Fußschemel.

Jedoch nicht nur Sitzmöbel wurden angeboten. Tische waren bereits in der zweiten Hälfte der 1850er Jahre im Programm. Der Salontisch Nr.5 ist mit seinen zahlreichen Schmuckmotiven einer der eindrucksvollsten. Später kamen weitere prächtige Möbel hinzu, welche auf der einen Seite die Vorliebe des Historismus für ornamentale, reich verzierte Formen belegen, auf der anderen Seite aber auch die Möglichkeiten des Biegens von Holz eindrucksvoll demonstrieren. Beispielhaft dafür steht der Standspiegel „Psyche“.

Historismus-Galerie

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August Thonet

Schaukelsofa 7500, frühe Ausführung ohne Armlehnen
Schaukelsofa 7500, frühe Ausführung ohne Armlehnen

In diese Zeit fällt auch das Wirken August Thonets, des drittältesten Sohnes von Michael Thonet. August, der ab 1869 die Fabrik in Bistritz leitet, gibt als Techniker und Konstrukteur entscheidende Impulse für die Entwicklung neuer Modelle. Seinem technischen und konstruktiven Verständnis verdanken wir eine Reihe von "Versuchsstühlen". Er entwickelt - gegen den herrschenden Geschmack eines aufstrebenden und zu Wohlstand gekommenen Bürgertums - anspruchsvolle und innovative Möbel, experimentelle Einzelstücke, die ihrer Zeit zu weit voraus sind, als dass sie ein kommerzieller Erfolg hätten werden können. Die in der Kollektion gezeigten Modellnummern 51 und 91 sind mit großer Wahrscheinlichkeit ebenso unter August Thonets Regie entstanden wie das von vielen als elegantester Bugholzentwurf bezeichnete Schaukelsofa Nr.7500. Das Schaukelsofa ist in der Sammlung in beiden Ausführungen: mit und ohne Armlehnen zu sehen.

Die Wiener Seccession

Nach einer Zeit, in der vorwiegend Stilimitate die Möbelentwürfe der großen Bugholzhersteller geprägt hatten, entsteht um 1900 eine Bewegung, die unter dem Begriff „Jugendstil“ oder „Reformbewegung um 1900“ bekannt geworden ist. Geprägt von dem Geist des Sozialreformers William Morris fordern Architekten in Belgien und Frankreich, in Deutschland und Österreich, das Möbel solle nicht mehr länger nur Gebrauchsmöbel sein, sondern aus diesem Gebrauchsgegenstand müsse Kunst werden, eine Kunst für viele.
Wiener Architekten nehmen diese Ideen begeistert auf und übersetzen sie in Formen, welche mit den technischen Möglichkeiten des Holzbiegens realisiert werden können. Es entstehen so eine Reihe von neuartigen Möbeln, die als Ikonen der Wiener Moderne heute ihren festen Platz in der Designgeschichte haben.

Hier ist es aber nun nicht die Firma „Gebrüder Thonet“ sondern "J.&J.Kohn", die die führende Rolle übernimmt, „weil sie das innovative und ökonomische Potential in dem neuen Wiener Avantgarde Design sah.“ (L. Hevesi).

Bereits 1899 stellt Felix Kohn den damals 19 jährigen Gustav Siegel als Leiter eines firmeneigenen Entwurfsbüros ein. Auf der Weihnachtsausstellung des niederösterreichischen Gewerbevereins im gleichen Jahr werden wahrscheinlich schon einige der Möbel gezeigt, die später zur Weltausstellung nach Paris gehen sollten. Die Firma Thonet, immer noch dem Geist des Historismus verhaftet, zeigt auf der gleichen Ausstellung vier Fauteuils „ nach englischem Originale“. Bei der Weltausstellung in Paris 1900 werden die neuen Möbel der Firma Kohn zum ersten Mal in einem ebenfalls von Gustav Siegel entworfenen Raumdesign einem internationalen Publikum präsentiert. Die Ausstellung wird ein voller Erfolg. Das herausragende Merkmal der gezeigten Möbel sind neben der neuen, klaren Linienführung die rechteckigen Holzquerschnitte und die Verwendung von Messing an den Stuhlbeinen. Während Kritiker bei den Möbeln der Gebrüder Thonet beklagen, dass „ihre Gegenstände recht viel zu wünschen übrig lassen“, werden das Speisezimmer und besonders der Schlafraum der Firma J.&J. Kohn als „umso feiner und geschmackvoller“ beschrieben.(L. Abels, Pariser Weltausstellung 1900) Die Kritiker in Wien bescheinigen dem Bugholzmöbel „eine neue Zukunft“: „Seitdem sind die Möbel veredelt, vervolkommnet, sie haben einen neuen Sinn, eine neue Eleganz erhalten.“ (Ludwig Hevesi, 1901)

Der Firma "Gebrüder Thonet" bleiben diese Erfolge nicht verborgen und in dem ersten Supplement des Kataloges von 1905/6 finden sich dann einige Möbel, welche im Sinn der neuen Bewegung gestaltet sind. Allen voran die Modellnummer 511, von der Sessel, Fauteuil, Kanapee und ein dazu passender Tisch angeboten werden. Dieses Modell verbindet auf eine sehr elegante und harmonische Art und Weise Elemente der speziellen Ausprägung des Wiener Jugendstils mit der „Art noveau“ französischer Prägung.

All diese neuen Entwicklungen gehen mit großer Wahrscheinlichkeit auf den erstmaligen offiziellen Kontakt der Firma „Gebrüder Thonet“ zur „Wiener Avantgarde“ 1904/5 zurück. Erkannten "J.&J. Kohn" die Möglichkeiten dieser neuen Bewegung bereits frühzeitig, so stoßen die „Gebrüder Thonet“ erst mit einiger Verspätung dazu. Den Anstoß gibt der gemeinsame Auftrag für die Möblierung der Postsparkasse für Thonet und Kohn. Aus diesem Kontakt ergibt sich die Zusammenarbeit mit dem Wagner-Schüler Marcel Kammerer, der die Möbel, die Thonet auf der 23. Sezessionsausstellung 1905 präsentiert, entwirft. Einige davon werden in vereinfachter Version in das Thonet Programm aufgenommen und 1907 im zweiten Supplement des Katalogs von 1904 als Tisch und Blumenständer No.40 angeboten.

Möbel der Wiener Sezession/1900 - 1910

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Otto Prutscher

Fauteuil A 845, Otto Prutscher zugeschrieben
Fauteuil A 845, Otto Prutscher zugeschrieben

Auf der Internationalen Bauausstellung 1913 in Leipzig und auf der Werkbundausstellung 1914 in Köln zeigt Thonet Modelle, die mit den Ideen der Wiener Avantgarde nichts mehr zu tun haben: In Leipzig werden repräsentative, eher auf Empire und Biedermeier verweisende Möbel, in Köln ein reichgeschnitzter eichener Sessel, der Tendenzen des Art Deco vorwegnimmt, wie sie für den Spätstil der Wiener Werkstätte typisch sind, gezeigt. Die Lederfauteuils, die Otto Prutscher für die Villa Rothberger in Baden entworfen hat, gehen bei Thonet unter der Nr.6529 in Serie.

Daneben hat Prutscher noch eine Reihe von Sesseln und weiteren Möbeln entworfen, von denen wir erst seit kurzem und nach Recherchen in Tschechischen Archiven wissen. Es fanden sich Karteikarten, auf denen die Möbel abgebildet sind und eindeutig als Entwurf von Otto Prutscher beschrieben werden. Leider findet sich in diesen Unterlagen keine Abbildung des rechts abgebildeten Fauteuils Nr. A 845, doch weist er eine Reihe von Merkmalen auf, die es vermuten lassen, dass es sich um einen Entwurf Prutschers handelt.

Bugholz/1920er Jahre

Zeitgleich zu den ersten Stahlrohrmöbeln ändert sich das Aussehen der Bugholzentwürfe. Es werden keine an- oder abschwellenden Holzquerschnitte, elliptische oder rechteckige Hölzer verwendet, sondern gleichmäßig runde. Adolf Schneck (1883-1971) entwirft 1925 seinen Armlehnfauteuil A 64/F im gleichen Jahr, in dem Marcel Breuer den ersten Sessel aus Stahlrohr, den B3 bauen lässt. Ferdinand Kramer (1898-1985) entwirft 1927 seinen Frankfurter Stuhl B 403. Josef Frank (1885-1967) stellt seinen Armlehnsessel A 63/F auf der Werkbundausstellung 1929 in Wien vor. Im gleichen Jahr entwirft Adolf Schneck den Sessel A 283.

Ein ebenfalls interessanter Entwurf ist Modell A 821/F von Eberhard Kraus. Auffallend ist die große Rückenlehne, was dem Sitzkomfort jedoch sehr zugute kommt. Wie bei vielen der Modelle aus den 1930er Jahren haben wir auch hier eine reduzierte Sitzhöhe von lediglich 38 Zentimetern, was auf die Verwendung als Salonmöbel hinweist.

Josef Hoffmann entwarf 1930 das Modell A 811/F. Im „Thonetschen Zentralanzeiger“ Nr. 104 vom Dezember 1930 lesen wir dazu: „A 811, A 811 F, A 811/1 und A 811/1 F. Eine sehr interessante ungemein bequeme Neuheit, die von Professor Hoffmann für die heuer im Sommer in Wien stattgefundene Werkbundausstellung geschaffen wurde“.

Dieser letzte Stuhl Hoffmanns wurde in zwei Varianten hergestellt: Sitz und Rückenlehne geflochten oder mit Sperrholzsitz und -rückenlehne, diese mit zwölf, symmetrisch angeordneten runden Löchern mit einem Durchmesser von jeweils sechs Zentimetern.

Bei all diesen Entwürfen steht die Silhouette des Stahlrohrs unzweifelhaft Pate. Wirklich innovativ sind diese Bugholzmöbel weder technisch noch ästhetisch. Dessen waren sich die Bugholzmöbelhersteller auch bewusst: Anlässlich eines Wettbewerbs im Jahr 1929, bei dem neue und wegweisende Entwürfe für Bugholz gesucht wurden, gab es mehr als viertausend Einsendungen. Die Jury, der so prominente Entwerfer wie Pierre Jeanneret, Gerrit Rietveld, Adolf Schneck, Gustav Siegel und Josef Frank angehörten, kam in dem Protokoll der abschließenden Sitzung zu folgender Bewertung: „… nichts ganz Hervorragendes wurde unter den Einsendungen gefunden“, und Ferdinand Kramer formulierte lapidar: „Das Festival des Wiener Sessels war vorüber“.

Architektenentwürfe 1920er Jahre

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