Der Weg zur Serienfertigung

Clemens List, bei dem Michael Thonet seit seiner Ankunft in Wien arbeitete, gibt sein Geschäft 1844 auf. Durch die Vermittlung von Peter Hubert Desvignes, ein englischer Architekt und Möbelentwerfer (1804 – 1883), der die Umbauarbeiten des Liechtensteinischen Stadtpalais‘ leitet, findet Michael Thonet eine neue Beschäftigung in der Werkstatt von Carl Leistler (1805-1857), wo er an der Herstellung von Parketten und leichten Beistellstühlen, sogenannten „Laufsesseln“ für das Palais Liechtenstein arbeitet. Es entstehen die Liechtensteiner Sessel in einer gegenüber der nur zweidimensionalen Schichtverleimung der Bopparder Zeit weiterentwickelten Technik. Die Arbeiten für das Palais Liechtenstein sind 1846 weitgehend abgeschlossen. In den drei Jahren bis zur Gründung einer eigenen Werkstatt werden „in der Thonetschen Werkstätte bei Leistler vorwiegend feine Parketten und nebenbei auch Sessel aus gebogenem Holz gemacht“.

Es entstehen Sitzmöbel in verschiedenen Herstellungstechniken, welche uns heute die Entwicklungsstufen des Thonetschen Biegeverfahrens aus dieser Zeit zeigen. Einige Modelle haben keinerlei Kennzeichnungen, wofür es eine einfache Erklärung gibt: Sie sind zu der Zeit entstanden, als Michael Thonet bei Carl Leistler – wegen des patentierten Verfahrens in nur ihm und seinen Mitarbeitern zugänglichen Räumen – arbeitete. Im Mai 1849 bezieht Michael Thonet dann in der Mollardmühle in Gumpendorf seine erste eigene Werkstatt in Wien. Bei den zu dieser Zeit hergestellten Sesseln und Fauteuils finden wir unter dem Sitzrahmen einen Prägestempel mit eben dieser Adresse: "Thonet Wien Gump. 396".

Mit dem Sessel Nr.4 wurde - nach dem Hotel "Zur Königin von England" in Pest - erstmals auch ein Kaffeehaus in Wien, das Café Daum, mit Bugholzstühlen eingerichtet.

Der für das Palais Schwarzenberg hergestellte Sessel, spätere Modellnummer 1, ist eine „vereinfachte“ Version des Liechtensteiner Sessels.

Es entstehen eine Reihe von Modellen mit verschiedenen Rückenfüllungen, unter anderem Sessel Nr.8, in der Gestaltung der Rückenlehne Vorbild für den in der ersten Fabrik in Koritschan ab 1859 produzierten wohl berühmtesten Sessel der Welt, den Kaffeehausstuhl Nr.14.