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Ausstellung Grassi Museum

„SITZEN - LIEGEN - SCHAUKELN. Möbel von Thonet“

GRASSI Museum für angewandte Kunst, Leipzig


Vom 17.04. 2014 bis zum 14.09.2014


Die Ausstellung

Die Ausstellung "SITZEN - LIEGEN - SCHAUKELN. Möbel von Thonet" im GRASSI Museum präsentierte erstmals nicht allein die Klassiker der Firma Thonet, sondern richtete den Fokus auf die Neuentwicklungen der Firma Thonet Frankenberg seit 1945. Selbst bei Kennern sorgten die ausgestellten Exponate für Überraschungen. Denn kaum jemand kannte die vielgestaltigen Entwürfe der 1950er und 1960er Jahre und nur wenige wissen, dass Designgrößen wie Norman Foster, Verner Panton oder Konstantin Grcic Stuhlentwürfe für Thonet geliefert haben. Die rund 130 präsentierten Sitzmöbel zeugten von einer gelungenen Synthese von Tradition und zeitgemäßem Design.

Das Spektrum reichte vom einfachen Küchenstuhl, Bürodrehstuhl, Freischwinger, Clubsessel und von Schaukelstühlen bis hin zu medizinischen Liegen, Sitzgelegenheiten für den Garten und Kindermöbeln.

Auf einigen der aktuell produzierten Thonet-Modelle konnte der Besucher in der Ausstellung Platz nehmen und Probe sitzen.

Der Firmengründer Michael Thonet (1796 - 1871) erhielt im Jahr 1856 das Patent für das Biegen von massivem Holz. Thonet hatte nach Techniken gesucht, schöne, haltbare und bezahlbare Möbel in großer Serie herstellen zu können. Mit dem berühmten Kaffeehausstuhl „Nr.14“ erstmals vorgestellt 1859, gelang ihm dies in herausragender Weise. Zahlreiche Nachfolger des Modells messen sich bis heute an der gelungenen Einheit von gutem Design und wirtschaftlicher Produktion. In den 1930er Jahren erkannte man bei Thonet das Potenzial des neuen Materials Stahlrohr. Schon bald darauf war Thonet weltweit größter Produzent von Stahlrohrmöbeln.

Auch nach 1945 sind das charakteristische Bugholz sowie das Stahlrohr die Erkennungszeichen vieler Thonet-Modelle, wenngleich die Technologie heutigen Anforderungen angepasst oder mit alternativen Herstellungstechniken kombiniert wurde. Mit der Renaissance der Bugholzmöbel in den 1960er Jahren erlangte der Kaffeehausstuhl Nr.14 nahezu Kultcharakter. Selbst die jüngste Designer-Generation verweist mit modernen Interpretationen auf die unveränderte Aktualität dieses Klassikers. Stefan Diez, Designer für Thonet, begeistert „diese verrückte Idee Holz so zu biegen, also ob es ein zweites Mal wächst“ nach wie vor.

Die Stuhlentwürfe seit 1945 bis heute sind immer auch vor dem Hintergrund der langen Firmentradition zu sehen. Charakteristische Bauweisen und Technologien sowie ästhetische Prinzipien sind generationsübergreifend als roter Faden erkennbar. Die firmeneigene Designabteilung, aber auch renommierte externe Designer wie beispielweise Verner Panton, Gerd Lange, Robert Stadler, Stefan Diez, Norman Foster, Peter Maly und Konstantin Grcic lieferten und liefern Entwürfe für Thonet, die vom respektvollen Umgang mit den Klassikern zeugen und gleichzeitig eine strikte Eigenständigkeit aufweisen.

Gestern wie heute stehen Thonet-Möbel für geradliniges und durchdachtes Design sowie gute Qualität der Materialien und Ausführung.

Die Präsentation

Die Präsentation war nicht chronologisch aufgebaut, sondern organisiert nach Möbeltypen, Materialien und Themen. Sabine Epple hatte bewusst diesen nicht chronologischen Ansatz gewählt und in dem ersten Teil der Ausstellung alle Mitglieder der „Thonet Familie“ um Tische versammelt: Dramatisch beleuchtete Inseln, ästhetisch sehr ansprechend und gelungen.

Gebogenes Holz aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stand neben Entwürfen aus dem 21. Jahrhundert; Jugendstil-Sessel fanden sich neben Sitzgelegenheiten, welche Stilprinzipien des Funktionalismus zeigen. Klappmöbel und stapelbare Möbel standen neben Büromöbeln aus verschiedenen Epochen, Stahlrohr auf vier Beinen und freischwingend, Drehstühle und Büromöbel. Sperrholz fand sich neben Möbeln aus Kunststoff - beides Materialien, die man verformen kann. Und so standen sie alle zusammen, die Mitglieder der Thonet-Familie, ihre Geschichte wurde erleb- und erfahrbar.

Der zweite Raum mit Blick in den Grassi Hof war konventioneller aufgebaut. Auf schrägen, grell orangen Podesten fanden sich auch hier wieder thematisch organisierte Gruppen von Möbeln; Clubsessel neben Kindermöbeln, Liegen und Gartenmöbel, Möbel zum Schaukeln. Es war ein Kontrast zu der Dramatik des ersten Raums, das Tageslicht beleuchtete die Objekte sanfter.

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Als "Einführung" in die Ausstellung fanden sich im Eingangsbereich zwei Vitrinen, in welchen Miniaturmodelle einiger der ausgestellten Möbel aus der Sammlung Dowald zu sehen waren.

Zur Ausstellung erschien ein Katalog, in welchem die Kuratorin der Ausstellung, Sabine Epple, in einem interessanten Aufsatz: „Fortschritt im Konstanten“ ausführlich die Geschichte von Thonet Frankenberg nach 1945 im ihrem jeweiligen zeithistorischen Kontext beschreibt. Im umfangreichsten Teil der Katalogs werden die wichtigsten und wesentlichen Entwürfe von Thonet Frankenberg von 1950 bis heute vorgestellt. Der Aufsatz: „Thonet. Experiment und Innovation 1830 - 1939“ von Wolfgang Thillmann gibt einen umfassenden Überblick über die Geschichte der Firma von den Anfängen in Boppard bis zum 2. Weltkrieg. Der Schwerpunkt liegt in der Beschreibung der Chronologie der frühen Jahre in Wien, in denen durch eine Vielzahl innovativer technischer Versuche der Grundstein für den späteren Erfolg gelegt wird. Eine Vielzahl von Abbildungen und Grafiken verdeutlicht diesen Weg.

„SITZEN - LIEGEN - SCHAUKELN. Möbel von Thonet“
Texte:
Sabine Epple, Thomas Miltschus, Wolfgang Thillmann